„Stillstand ist Rückschritt“: Geschäftsführer Schmedt im Interview

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Marc-Henrik Schmedt (Foto:SCM)

Verletzungen, traumatische Ereignisse und ein sportlicher Erfolg entgegen allem Widerstand – hinter dem SC Magdeburg liegt eine bewegende Spielzeit. Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt blickt auf die Saison 2024/25 zurück.

Was war das für ein Saison-Abschluss? Der SCM hat die Saison mit dem Champions-League-Sieg abschließen können. Wie verliefen die Tage nach dem Erfolg?

Gefeiert wurde ehrlich gesagt noch nicht so richtig. Dass der SC Magdeburg die Champions League das dritte Mal gewonnen hat, ist aber natürlich ein phänomenales Gefühl. Doch ich glaube, es braucht ein bisschen Abstand, bis wir das richtig genießen können.

Sie sprechen es an: Es ist bereits das dritte Mal, dass der Pokal nach Magdeburg geholt werden konnte. Was bedeutet das für den Club?

Das ist wahrscheinlich die begehrteste Trophäe im Welthandball auf Vereinsebene. Für uns ist es die Fortsetzung der Erfolge der letzten Jahre und die Bestätigung unserer Arbeit hier. Wir haben uns kontinuierlich in der europäischen Spitze etabliert. Die damit verbundene Strahlkraft für uns, aber auch für Partner, Zuschauer und Spieler ist von immenser Bedeutung und wir freuen uns selbstredend, dass wir uns zudem die vierte Saison in Serie erneut für die Champions League qualifiziert haben.

Die Mannschaft wurde nach dem Erfolg von Oberbürgermeisterin Simone Borris ins Rathaus eingeladen und auf dem Balkon von tausenden Fans bejubelt. Das unterstreicht die Bedeutung des Vereins für die Stadt.

Ich glaube, dass der SCM der nationale und internationale Image-Träger für die Stadt Magdeburg ist. Jeder weiß, dass hier nach der Wende sehr viel Aderlass zu verzeichnen war, als die Schwermaschinenindustrie zusammengebrochen ist. Das hat etwas mit dem Selbstwertgefühl der Menschen gemacht. Umso wichtiger ist es, dass es identifikationsstiftende Institutionen gibt – allen voran im Sport. Wir sind froh, dass wir durch unseren Erfolg als Botschafter nach innen und außen fungieren und Magdeburg etwas zurückgeben können.

Es war keine einfache Saison, sondern eine mit sportlichen und emotionalen Herausforderungen. Am einschneidendsten war sicher die Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt…

...das wird immer im Gedächtnis der Magdeburger bleiben. Von einer Sekunde auf die andere war alles, was mit Sport zu tun hat, komplett untergeordnet. Das spielte überhaupt keine Rolle mehr. In einer Stadt mit rund 240.000 Einwohnern, kannte jeder jemanden, der auf irgendeine Art betroffen war. 

Mit Antonio Serradilla war auch ein Spieler des SCM vor Ort.

Er war sehr nah dran. Doch nicht nur er. Wir haben am nächsten Tag bei der Besprechung gemerkt, dass keiner nur ansatzweise in der Lage war, an Handball zu denken. Das hat gedauert, bis wir uns wieder aufs Tagesgeschäft konzentrieren konnten – und die Wunden sind noch nicht verheilt.

Es war nicht der einzige Tiefschlag, den der Club verkraften musste. Über das Jahr fielen etliche Spieler verletzt aus, war der Kader selten komplett zusammen. Gab es da zwischenzeitlich den Gedanken, dass gerade irgendwie alles schief geht? 

Das war etwas zweigeteilt. Auf der einen Seite glaube ich, dass wir ein bisschen die Rechnung für die letzten drei Jahre bezahlt haben. Wir wollen immer in allen Wettbewerben vertreten sein, doch die Belastung ist im Olympiajahr eben noch einmal höher. Irgendwann gibt der Körper nach – und dann kommt noch Pech dazu. Manchmal haben wir uns schon leicht sarkastisch gefragt, was noch schief gehen soll. Ob als nächstes die Halle abbrennt oder der Bus geklaut wird? Und dann sieht man, wie sich die Mannschaft durchgekämpft hat. Wie es immer weiter ging und welchen erfolgreichen Abschluss wir trotz allem feiern konnten. Man mag sich gar nicht ausmalen, zu was das Team in voller Stärke von Beginn an fähig gewesen wäre. 

Der SCM profilierte sich als Team, konnte aber genauso entsprechende Nachverpflichtungen tätigen. Wie war das finanziell möglich?

Weit über die letzten zehn Jahre hinaus sind wir organisch gewachsen und haben solide gewirtschaftet. Da konnten wir uns ein Polster schaffen, um in solchen Situationen handlungsfähig zu bleiben und neu entstandene personelle Lücken zu füllen. 

Allerdings bewegen wir uns momentan in ökonomisch schwierigen Zeiten. Wie geht es dem Club im Allgemeinen?

Gerade in solchen Zeiten, die wirtschaftlich aber auch gesellschaftlich schwierig sind, braucht es Leuchttürme. Die Unsicherheit der Menschen und Unternehmen ist spürbar, da sind Ablenkung und Dinge, die positiv stimmen, umso wichtiger. Wir haben als einziger Club in der abgelaufenen Saison der DAIKIN Handball-Bundesliga durchgängig eine ausverkaufte Halle gehabt und in der Champions League neue Spitzenwerte erreicht. 

Der SCM geht also mit einem Plus aus der Spielzeit?

Wir bewegen uns in Richtung 700 Partner, für die Dauerkarten gibt es eine lange Warteliste und ich bin insgesamt sehr zufrieden. Trotzdem ist das eine Momentaufnahme. Wir spielen in der höchsten europäischen Spielklasse, sind für Sponsoren attraktiv und verkörpern Stabilität – aber im August geht das Rennen wieder von vorne los. Dann müssen wir weiter machen, ferner die Struktur hinter dem Team stärken und weitere Wachstumsmöglichkeiten ausschöpfen. Stillstand ist gleichbedeutend mit Rückschritt. 

In dem Zusammenhang ist ebenso interessant, wie es um die Halle steht. Gibt es die Möglichkeit, für mehr Plätze oder gar einen Neubau?

Das ist ein ganz spezielles Thema. Natürlich verstehe ich, dass die Menschen enttäuscht sind, wenn sie keine Karte bei uns bekommen. Wir sind permanent ausverkauft und die Karten, die online zur Verfügung gestellt werden, sind mittlerweile innerhalb von einer Minute vergriffen. Doch die Handhabe ist bei einer städtischen Halle komplex, die Finanzsituation der Kommunen und auch der Stadt Magdeburg bekannt. Zumal: Die überragende Stimmung in der GETEC Arena wollen wir nicht aufgeben. Denn auch das ist ein Teil des SCM.

Das heißt?

Wenn es eine neue Arena geben soll, ist das sicher mit einer deutlich dreistelligen Millioneninvestition verbunden und die muss im Anschluss refinanziert werden. Insofern warten wir erstmal ab und sind für alle Entscheidungen der Stadt Magdeburg offen, egal ob Sanierung oder Neubau. Entscheidend ist, dass wir durchgehend eine komplette Spielstätte haben und die Kosten für alle Beteiligten vertretbar bleiben – denn das waren wichtige Grundlagen für die jüngsten Erfolge.